karlsruher appell für eine gesellschaft ohne prostitution

343 Salauds – das Manifest der Machos

Ob sie sich Schweinehunde nennen oder Arschlöcher genannt werden, ist eigentlich egal – ehrlich verdient haben sie beide Titel. Das sogenannte Manifest der 343 Salauds ist ein im wahrsten Wortsinn machistisches Pamphlet von Männern,  die mit der Forderung: „Hände weg von meiner Nutte“ ihr Recht auf bezahlten Sex verteidigen.

Die Zahl 343 hat in Frankreich eine besondere Bedeutung: Im Jahr 1971 veröffentlichte Simone de Beauvoir das „manifeste des 343„. Frauen bekannten sich darin zur Abtreibung und forderten das Recht auf Selbstbestimmung über ihren Körper. (wenig später widmete der Stern dem Thema einen legendären Titel). Es dauerte nicht lange bis man dieses Manifest das „Manifest der 343 Schlampen“ nannte – was wiederum auf einen Cartoon in der Satirezeitung Charlie Hebdo zurückging, der die Frage aufwarf, „wer denn die 343 Schlampen geschwängert hätte, die jetzt ihr Recht auf Abtreibung forderten“. O.k. das war Anfang der 70er Jahre – aber sind wir heute wirklich weiter?

Sexistische Abwertung von Frauen als Huren ist ein Reflex, der existiert seitdem man Frauen das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung streitig macht.  Es liegt nahe, dass die 343 selbsternannten Vollidioten über solche komplexe Zusammenhänge nicht weiter nachgedacht haben. Sonst hätten sie nicht unbekümmert den Aufschrei für das Recht des Mannes auf SEINE Nutte in die Welt gesetzt, der am 7. November in der Zeitschrift Causer veröffentlicht wurde. Aktueller Anlass war übrigens ein für die Novemberausgabe geplanter Artikel in der Frauenzeitschrift Causette „Lost in prostitution – 55 raisons de résister à la tentation„- 55 Gründe, der Versuchung zu widerstehen. Dem haben sie mit ihrem bemerkenswerten Fanal tatsächlich etwas entgegengesetzt: Ein offenes Bekenntnis der männlichen Angst davor, den uneingeschränkten Zugriff auf (bezahlten) Sex zu verlieren. Sie inszenieren sich dabei selbstverliebt als Vertreter einer intellektuellen Elite („wir lieben die Literatur“), verwechseln in ihrem machistischen Eifer aber das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung mit dem Recht, sich zu prostituieren. Folgt man dieser Logik, könnte man auch das Recht auf Zugang zu Gesundheitsversorgung gleichsetzen mit dem Recht, seine Niere zu verkaufen. Wenigstens vor dieser Art der Selbstbestimmung schützt der Staat seine BürgerInnen.

Auch die Tatsache, dass Prostitution alles andere als Intimität zwischen Hure und Freier ist sondern in erster Linie den Zweck erfüllt, Geld zu erwirtschaften, muss den Autoren an irgendeiner Stelle ihres wirren Textes, von dem sich inzwischen einige der Mitunterzeichner distanziert haben, entfallen sein. Der kaum versteckte Zynismus, mit dem die Herren ihr Naturrecht auf das Objekt Frau sichern wollen, veranlasste letztendlich sogar Morgane Merteuil, Generalsekretärin der Sexworker Organisation STRASS zu einem Gegen- Aufschrei: Ihr habt nichts von unserem Kampf verstanden.

Interessant an der Geschichte ist  das Selbstverständnis, mit dem diese Männer das Recht auf „IHRE Nutte“ fordern (und ganz sicher vielfaches Schulterklopfen für ihren Mut ernten). Hier sind wir tatsächlich nicht viel weiter als 1971. Und einmal mehr wird deutlich, dass die unter einer Art Naturschutz stehende Spezies Freier schlichtweg nur eines will: nämlich über die Sexualität von Frauen verfügen und gefälligst dabei in Ruhe gelassen werden. Um die unangenehmen Begleiterscheinungen kann sich dann der Staat kümmern.

Fast naiv erscheint in diesem Zusammenhang der Protest von STRASS: Glauben denn Huren, das Freier sich auch nur im entferntesten für sie und ihren „Kampf“ – welchen Kampf überhaupt – interessieren? Was eine Hure fühlt, wie es ihr in ihrem Job geht, was für ein Männerbild sie hat, geht jedenfalls den 343 Connards am selben Hintern, den sie vor staatlichem Sexkaufverbot retten wollen, komplett vorbei.

Der Originaltext ist inzwischen nur noch bruchstückhaft  im web zu finden, hier die deutsche Übersetzung

Einige von uns waren bei Huren, gehen gegenwärtig dorthin und werden auch weiterhin zu Huren gehen – schämen tun wir uns dessen nicht. Andere, ohne selbst Kunde gewesen zu sein (aus Gründen die niemanden etwas angehen) haben als Bürger niemals den Reflex gehabt und werden ihn auch in Zukunft nicht haben, ihre Nächsten dafür zu verurteilen, dass sie auf die bezahlte Liebe zurückgreifen. Ob Homo oder Hetero, der freien oder monogamen Liebe verpflichtet, treu oder untreu: wir sind Männer. Das macht uns aber nicht zu Frustrierten, Perversen oder Psychopathen, wie es von einem Teil der Anhängerinnen einer versteckten Unterdrückung im feministischen Kampf beschrieben wird. Aber: wir sind der Meinung, dass jeder das Recht hat, seinen Liebreiz zu verkaufen und das auch noch gerne zu tun. Und wir akzeptieren nicht, dass Abgeordnete unserem Vergnügen und unserem Verlangen irgendwelche Einschränkungen auferlegen. Wir verurteilen Gewalt, Ausbeutung und Menschenhandel. Und wir erwarten von der öffentlichen Hand, dass alles dafür getan wird, diese Auswüchse einzudämmen. Wir lieben die Freiheit, die Literatur und die Intimität. Wenn der Staat sich jetzt auch noch um unsere Hintern kümmert sind alle drei in Gefahr. Heute die Prostitution, morgen die Pornografie – was wird man uns übermorgen verbieten? Wir weichen doch nicht vom Pfad der Tugend ab nur weil wir Frauen (und Männer) von zweifelhaftem Ruf begehren. Wir verstehen uns als lebendig und erwachsen gegenüber einer korrekten Sexualität.

Links zum Thema:
http://343connards.fr/
http://lartetlamaniere.wordpress.com/category/feminisme/
http://tempsreel.nouvelobs.com/societe/20131030.OBS3165/touche-pas-a-ma-pute-le-manifeste-des-343-salauds.html

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