karlsruher appell für eine gesellschaft ohne prostitution

#metoo und das ewig Weibliche in der Kunst

Wie jedes Jahr besuchte ich Ende Februar die ART Karlsruhe. Und natürlich sprang mir in der Empfangshalle der Frauentorso von Wilhelm Loth ins Auge. Ich kenne seine Arbeiten seit frühester Kindheit und verhehle nicht, dass sie damals ein Fragezeichen auslösten: warum einen Frauenkörper so verzerren, so auf die Geschlechtsteile reduzieren? Das war kein wertendes Fragezeichen, sondern ein aufrichtiges Interesse daran, warum Frauenkörper so dargestellt wurden. Aufgewachsen in einer Zeit, in der sexuelle Übergriffe eher Kavaliersdelikte als Straftaten waren und als Tochter eines Kunstsammlers, in dessen Wohnung natürlich auch Akte hingen, war ich gewissermaßen abgehärtet: weder Bellmer noch Schiele konnten mich bezüglich der Darstellung ihrer Frauenkörper wirklich aus der Fassung bringen. Vielmehr war ich erstaunt über die Blicke von Künstlern auf „die Frau“, auf „das ewig Weibliche“, das schon Goethe thematisierte. Ich verstand nicht ihre Sicht auf das offensichtliche Faszinosum des weiblichen Körpers und die daraus abgeleitete Freiheit, diesen manchmal verstörenden Blick in Bildern und Plastiken festzuhalten. Mit dem Erwachsenwerden wich die kindliche Neugier dann der Erkenntnis, dass nicht nur in der Kunst mit dem Frauenkörper alles gemacht werden konnte – und gemacht wurde. Auch wenn dies scheinbar dem Lauf der Welt entsprach, hinterließ es bei mir ein Gefühl des Unbehagens. Dennoch und auch wenn sich bei jeder Darstellung einer nackten Frau ein kritisches Hinterfragen einstellte, sagte ich mir: es ist Kunst. Kunst, die verstören, verunsichern, beunruhigen und Debatten auslösen darf.

Während ich dem Loth´schen Frauentorso also mit einiger Gelassenheit begegnete, erschütterte mich ein Artikel, die die #metoo Kampagne damit in Zusammenhang brachte. Angeblich hätten die Macher der Art ein Zeichen dagegen setzen wollen, „dass die #meeto Kampagne – so legitim und notwendig sie auch sei – mit kunstfeindlicher Prüderie und politischer Korrektheit daherkäme und hinter jeder Darstellung eines nackten weiblichen Körpers den männlichen Ver­fügungsanspruch über die Frau witterte. “

Da war ich überrascht! Hier hatte jemand in vorauseilendem Rechtfertigungseifer der #metoo Kampagne „kunstfeindliche Prüderie“ unterstellt. Ein Totschlagargument, so alt wie der Sexismus selbst und ein Schlag ins Gesicht der Frauen, die tatsächlich sexualisierte Gewalt im Rahmen eines Machtgefälles erfahren hatten. Damit wird unterstellt, dass Frauen und Männer, die sexualisierter Gewalt die Stirn bieten, hinter jeder Darstellung eines weiblichen nackten Körpers einen männlichen Verfügungsanspruch erkennen. Es ist aber die Freiheit der Betrachterin, des Betrachters, das eine oder das andere zu sehen. Diese Freiheit zu beschneiden, indem man den BefürworterInnen der #metoo Debatte Prüderie und politische Correctness unterstellt, hat etwas Trumpeskes, denn es wertet die Betroffenen der #metoo Kampagne als prüde KunstfeindInnen ab. Interessant wird es, wenn man das künstlerische Lebensthema Loths etwas genauer betrachtet: „Die intensive Auseinandersetzung mit dem weiblichen Torso fernab aller gängigen Schönheitsideale waren Zeichen seiner Bewunderung und Deutung der Frau als Garantin für Vitalität, Liebe, Fruchtbarkeit und Fortleben der Menschheit. In seinem Werk zieht er eine Summe aus der uralten Tradition der Idole und des modernen Selbstbewusstseins und der Befreiung der Frauen. Im Torso stellt er die elementare Kraft des weiblichen Leibs heraus.“ Nun kann man auch zu dieser Verherrlichung des weiblichen Körpers stehen wie man will. SexismuskritikerInnen aber ausgerechnet gegen Wilhelm Loth auszuspielen, lässt vermuten, dass die Macher der Art die Kernaussage der #metoo Debatte und das Anliegen ihrer Protagonistinnen nicht verstanden haben.

metoo.support/the-movement/

Wilhelm Loth auf Wikipedia

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